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Lagerautomatisierung in China: Intelligente Lösungen für einen wachsenden Markt

China entwickelt sich immer mehr zu einer führenden Industrienation. Die Wirtschaft wächst rasant, und nirgends auf der Welt entwickelt sich der E-Commerce so schnell wie hier. Doch was bedeutet das für die Unternehmen in China? Wie reagieren sie auf das enorme Wachtumstempo, und worauf müssen sie sich einstellen? Im Interview sprechen die beiden Automatisierungsexperten Chen Xiaochun, Senior Director Mobile Automation von Linde MH (China), und Duan Chengwei, Senior Solution Consultant bei Dematic China, über Automatisierungstrends und steigende Anforderungen in China sowie ihre bisher erfolgreichsten Projekte:

2021-09-22

Wie wirken sich das rasante Wirtschaftswachstum und die steigende Produktivität in China auf die dort produzierenden Unternehmen aus?

Chen Xiaochun: China hat sich in den vergangenen zwei Dekaden enorm weiterentwickelt, auch was den Wohlstand betrifft. Der durchschnittliche Jahreslohn der Chinesen hat sich zwischen den Jahren 2000 und 2019 nahezu verzehnfacht. Entsprechend werden auch die Arbeitskräfte teurer. Zudem wird auch in China der demografische Wandel spürbar, denn durch die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik fehlt es zunehmend an Nachwuchs, und so entsteht ein hiesiger Fachkräftemangel. Um das Wirtschaftswachstum auch langfristig zu manifestieren, hat die Regierung ihre Strategie „Made in China 2025“ ins Leben gerufen [siehe Info-Kasten]. Hightech-Bereiche werden massiv gefördert. Die Folge: Viele Unternehmen beginnen zu automatisieren – auch in der Intralogistik.

China ist der weltweit größte E-Commerce-Markt. Inwieweit verändern die Online-Bestellungen die Lagerlogistik in China?

Duan Chengwei: „Die Online-Bestellungen und die Erwartungen der Kunden, ihre Bestellungen möglichst schnell geliefert zu bekommen, führt in China zu einem immer größeren Bedarf an hocheffizienter Lagerlogistik. Der rasante Ausbau der chinesischen Informations- und Netzwerktechnologie hat die nötigen Bedingungen für eine intelligentere Automatisierung bereits geschaffen. Das wird jetzt zunehmend umgesetzt.“

Chen Xiaochun: „Vor dem makroökonomischen Hintergrund von Industrie 4.0 und ‚Made in China 2025‘ gibt es drei treibende Kräfte für das schnelle Wachstum des chinesischen Automatisierungsmarktes: eine schnelle Technologieanpassung, eine angemessene Kapitalrendite durch Kostenoptimierung und ein großes Digital-Faibel von Unternehmenskunden. Zudem wirken sich Fördermaßnahmen der Regierung positiv auf den Automatisierungstrend aus.“

Bleiben wir beim E-Commerce. Welche besonderen Anforderungen gibt es in China?

Duan Chengwei: „Händler sehen im Wesentlichen zwei Herausforderungen: Erstens müssen sie sich gleichzeitig um Online- und Offline-Vertriebswege kümmern und zweitens müssen sie in der Hochsaison-Phasen, zum Beispiel bei groß angelegten Internet-Einkaufsfestivals wie 11.11, gleichzeitig Bestellungen und Rücksendungen schnell und effizient meistern. In der Regel sind die Lagerbestände für E-Commerce und dem stationären Handel noch getrennt. Nicht so bei Dematic. Als Intralogistik-Spezialist setzen wir in China auf die gemeinsame Lagernutzung beider Geschäftsmodelle. Das bedeutet für den Kunden eine höhere Auslastungsrate der Anlagen sowie eine größere Arbeitseffektivität.“

Chen Xiaochun, Senior Director Mobile Automation von Linde MH (China), und Duan Chengwei, Senior Solution Consultant bei Dematic China

Ist Dematic in China ein Vorreiter bei der integrierten Lagernutzung?

Duan Chengwei: „Ja, wir sind auf diesem Gebiet ganz vorne mit dabei. Wir haben bereits mehrere Großprojekte erfolgreich fertiggestellt, so zum Beispiel ein System für die bekannte chinesische Kleidungsmarke Bosideng. Mit dem wurden die Logistikkanäle der Einzelhandelsfilialen, die E-Commerce-Abwicklung sowie die Rücksendungen und der Umtausch umfassend integriert.

Und wie sieht das bei den Flurförderzeugen aus?

Chen Xiaochun: „Unser Automatisierungsgeschäft konzentriert sich auf End-to-End-Lösungen für mobile Roboter im Umfeld industrieller Anwendungen. Desweiteren zeigen Anwender großes Interesse an Lösungen in den Bereichen‚ Simultane Lokalisierung und Kartierung‘ sowie Outdoor-Navigation. Ein Beispiel einer integrierten Lösung, ist unser Einsatz bei dem großen inländischen Verpackungsunternehmen HOTEL-STAR. Hier haben wir Schmalspur-Gabelstapler und autonome mobile Roboter von Linde China kombiniert.“

Welche Chancen und Herausforderungen sind für die Zukunft zu erwarten?

Duan Chengwei: „Der Kostendruck wird weiter steigen. Deshalb müssen wir weiter automatisieren und den Wirkungsgrad erhöhen.“

Chen Xiaochun: „Und hier haben wir noch viel Luft nach oben: Im Jahr 2020 lag der Markt von fahrerlosen Transportsystemen in China bei nur 0,6 Prozent. Das bedeutet für die Zukunft ein immenses Wachstumspotenzial. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Auf dem Markt für mobile Roboter gibt es in China mittlerweile mehr als 300 Anbieter, und diese Zahl wird sich weiter erhöhen. Das bedeutet, dass sich der Technologie- und Kostenwettbewerb weiter verschärfen wird. Chinesische Kunden sind fasziniert von der Geschwindigkeit des Technologie-Fortschritts. Dies zwingt uns dazu, die Produktion weiter zu optimieren, Forschung und Entwicklung voranzutreiben und agile Prozesse zu nutzen. Nur so können wir den Markt in China weiter erschließen.“

Made in China 2025

2015 startete die chinesische Regierung eine groß angelegte Initiative unter dem Namen „Made in China 2025". Diese soll das Reich der Mitte in den kommenden Jahrzenten in einen Hightech-Produzenten verwandeln. Mit dem Masterplan und Investitionen in Milliardenhöhe strebt die Volksrepublik die Marktführerschaft in wichtigen Bereichen an, auf denen heute das Wachstum vieler Industrieländer beruht. Dazu gehören Informationstechnologie, computergesteuerte Maschinen, Roboter, energiesparende Fahrzeuge und medizinische Geräte ebenso wie Hightech-Ausrüstung für Raumfahrt, See- und Schienenverkehr.