QBIIK ist ein Projekt, das im Rahmen des Technologieprogramms „Digitale Technologien für die Wirtschaft – PaiCE“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird (siehe Kasten). Anhand prototypischer Lösungen in konkreten Anwendungsfeldern soll aufgezeigt werden, welche Chancen sich durch die Anwendung innovativer digitaler Technologien und deren Integration ergeben. „Die verschiedenen Ziele umfassen eine Optimierung des Ressourceneinsatzes und ein bestmögliches ökologisches Verhalten in der Produktion. Durch das neuartige QBIIK-FTF-Roboter-System können die Wertschöpfungsprozesse effizienter und ressourcenschonender durchgeführt werden“, erläutert Gerd Hembach vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das die Projektträgerschaft übernommen hat.
Robotersystem lernt über Benutzerschnittstelle
Konkret wird in dem Entwicklungsprojekt ein lernfähiges autonomes Kommissionier-System entwickelt, das die Vorteile autonomer Technologien mit den Fähigkeiten des Menschen kombiniert. Es handelt sich dabei um ein dezentral gesteuertes Fahrzeug mit Greifroboter, der Kleinladungsträger mit einem Gewicht von maximal 15 Kilogramm bewegen kann. Dieses Fahrzeug orientiert sich selbst im Raum, navigiert autonom zum Ziel und greift die georderte Ware. Über eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle kann im Bedarfsfall, etwa bei misslungenen Greifprozessen, ferngesteuert menschliche Unterstützung über eine Virtual-Reality-Benutzerschnittstelle angefordert werden. In diesem Fall übernimmt der Mensch die Kontrolle über den Roboter und führt Erkennungs- und Greifprozesse durch. So lernt das Robotersystem vom Menschen, mit neuen Arbeitsprozessen umzugehen und kann dadurch neue Arbeitsschritte zukünftig selbständig durchführen.
Der iGo neo bringt ideale Voraussetzungen mit
Als Fahrzeugplattform im Rahmen des QBIIK-Projekts kommt der iGo neo des Flurförderzeug-Herstellers STILL zum Einsatz. Diesem Kommissionierfahrzeug haben die STILL-Ingenieure bereits während seiner Entwicklung intelligente Robotertechnologie und damit kognitive Fähigkeiten mitgegeben. Das Resultat ist ein autonomes System, das optimal auf die Anforderungen von Kommissionieraufgaben, etwa im Einzel-, Ersatzteil- oder Onlinehandel, zugeschnitten ist. „Diese Ausstattung hat sich im aktuellen Projekt ausgezahlt. Wir haben die bereits vorhandenen Software-Frameworks des iGo neo zu mehr als 90 % übernommen und mussten nur geringfügige Anpassungen vornehmen“, berichtet Bengt Abel, bei STILL sowie bei der Holding, der KION Group, für das QBIIK-Projekt verantwortlich. „Da das Fahrzeug über so viel Autonomie verfügt und wir es zudem sehr genau kennen, haben wir umso mehr Zeit für die Bewältigung anderer Aufgaben gehabt.“
Virtueller Schutzzaun liefert Sicherheit
Und andere Aufgaben gab es im Rahmen des Entwicklungskonzepts reichlich. Beispielsweise brachte eine Risikoanalyse 116 Gefahrensituationen hervor, die in Zusammenhang mit dem Demonstrator auftreten können. Abel: „Wir beschäftigten uns deshalb sehr lange und intensiv mit den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen. Das größte Problem war, dass es für eine derartige Anwendung – bei der ein Roboter auf einem autonom fahrenden Fahrzeug befestigt ist – keine Norm gibt, auf die wir zurückgreifen konnten. Und einfach einen Käfig um das Fahrzeug herum bauen, ging in diesem Fall nicht.“ Gelöst wurde die Herausforderung durch einen Personenschutzfeldscanner, der um den iGo neo herum ein Sicherheitsfeld aufspannt. Gerät dort ein Mensch oder ein Gegenstand hinein, werden Roboterarm und Fahrzeug sofort stillgelegt.
Teach-In-Prozesse erfolgreich abgeschlossen
Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt war die Orientierung des autonomen Fahrzeugs in der Fläche. Die STILL-Entwickler griffen dabei auf die Monte-Carlo-Lokalisation (MCL) zurück, ein samplebasiertes Verfahren zur Zustandsschätzung der Position und Orientierung eines mobilen Systems. Erste Versuche erfolgten im Lager des Projektpartners Audi. Mit Hilfe von Teach-In-Fahrten wurden Wegpunkte aufgezeichnet, an denen sich das autonome System orientiert. Zwischen diesen Wegpunkten kann sich iGo neo anschließend frei bewegen. Als Orientierungspunkte dienten fest installierte Gegenstände wie Wände oder Säulen. „Während der ersten Testläufe müssen die Teach-In-Fahrten noch von uns durchgeführt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist aber geplant, dass ein möglicher Nutzer des Systems diese Fahrten selbst durchführen kann“, erläutert STILL-Experte Abel. Die Erkennung der Kisten in den Regalen erfolgt mehrstufig über ein künstliches neuronales Netz. In diesem Fall kommt neben einer bildgebenden Sensorik auch eine Kombination aus 3D-Kamera und taktilen Näherungssensoren zum Einsatz.
Insgesamt ist der STILL-Entwicklungsingenieur Bengt Abel mit dem Projektverlauf sehr zufrieden. „Lediglich an der Geschwindigkeit von Fahrzeug und Roboter müssen wir noch arbeiten. Die reichen für einen Praxiseinsatz momentan nicht aus“, resümiert er. Dies sei aber zu einem großen Teil den noch recht hohen Sicherheitsanforderungen geschuldet. Auch Gerd Hembach vom Projektträger DLR ist mit den bisherigen Ergebnissen einverstanden: „Das Konsortium hat in professioneller Art innerhalb von dreieinhalb Jahren belastbare Ergebnisse erarbeitet und in einem Anwendungssystem umgesetzt. Zum Projektende im Juni 2020 erwarte ich ein prototypisches Gesamtsystem.“