Echte Gabelstapler in der digitalen Welt abbilden, um ihren Einsatz in einer virtuellen Umgebung ausgiebig simulieren, planen und testen und so die Gefahr von Fehlern oder Störungen in realen Prozessen reduzieren zu können – unlängst tüfteln die KION Marken Linde MH und STILL am „digital truck“. „Digitale und physische Welt verschmelzen zunehmend“, sagt Sebastian Erdmann, Senior Director Digital Solutions & Support bei STILL EMEA. Aber was heißt das für den Stapler? „Grundsätzlich haben wir immer zwei Richtungen in Hinblick auf die digitalisierte Welt“, erklärt Stefan Prokosch, Senior Vice President Produktmanagement Industrial Trucks Counterbalance bei Linde MH. Beide haben damit zu tun, Daten zu sammeln, und diese besser zu vernetzen, zu analysieren und auszuwerten. Alles zusammen, so Prokosch, katapultiere den Gabelstapler in ganz neue Bereiche.
Ganze Flotten aus der Ferne analysieren
Da ist zum einen das Flottenmanagement. Je mehr die Fahrzeuge an Daten liefern, desto genauer lässt sich eine komplette Flotte steuern, lenken und effizienter aufeinander abstimmen. Das ist im Grundgedanken nichts Neues – in der Vergangenheit bestand Flottenmanagement aber vor allem aus einzelnen, lokalen Anwendungen beim Kunden. „Künftig ist es webbasiert und integriert in ein Ökosystem“, sagt Erdmann. STILL, dessen Fahrzeuge digital nachgerüstet werden können, hat vor kurzem einem großen Automobilzulieferer vertraglich zugesagt, dessen Fahrzeugflotte über fünf Jahre hinweg um fünf Prozent zu reduzieren; das Ziel wurde bereits im ersten Jahr allein durch optimierte Prozesse übertroffen. „Der größte Punkt war dabei recht trivial, wurde aber erst dank digitaler Datenerfassung klar sichtbar“, erklärt Philipp Schmidt, Head of Product Management Applications & Services bei STILL EMEA: Es zeigte sich, dass die Fahrer ihre Förderzeuge wahllos abstellen – klare Stell- und Übergabeplätze waren eine simple, aber hocheffiziente Lösung.
Neue Ansätze für die Beratung
Das zweite große Potenzial des „digital truck“ ist der Stapler selbst. Auch der meldete in der Vergangenheit entweder schon vereinzelt Informationen, oder die Daten mussten vom Staplerführer beziehungsweise Techniker vor Ort ausgelesen werden. Künftig kommen die Daten in kurzen Intervallen zum Analysten oder sie werden automatisiert mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) verarbeitet. Außerdem werden die Datensätze deutlich umfassender. Die KION Group nähert sich mit großen Schritten dem großen Ziel der vorausschauenden Wartung. Damit wird es möglich, Fahrzeuge zu warten oder zu reparieren bevor sie ausfallen.
Aus all dem ergeben sich auch neue Geschäftsmodelle, auf die zum Teil bereits Unternehmen außerhalb der Branche ein Auge geworfen haben. „Wir entwickeln digitale Lösungen, um das Knowhow auf unserer Seite zu festigen und zukünftiges Geschäft nicht an Drittanbieter zu verlieren“, sagt Erdmann – ähnlich wie die Automobilhersteller, die gerade unter Druck geraten, weil IT-Unternehmen ihren Wissensvorsprung, zum Beispiel bei selbstfahrenden Fahrzeugen, ausspielen. „Kunden wollen Lösungen, unwichtig dabei ist, wie genau diese zustande kommen“, skizziert Erdmann die Herausforderung für etablierte Unternehmen. Darüber hinaus eröffneten sich aber auch ganz neue Ansätze für Beratung, oder um Kundenwünsche zu befriedigen, die so bislang nicht umsetzbar waren.
„Es gibt ganz viele mögliche und denkbare Anwendungen“, bekräftigt auch Prokosch, zum Beispiel durch neue Sensoren wie etwa den Lastsensor, der erkennt, ob ein Stapler gerade eine Leerfahrt unternimmt. „Vor allem aber soll die neue Staplergeneration auch Dinge können, an die wir heute noch gar nicht denken“, ergänzt Jens Kocab, Head of Digitalization bei Linde MH. Neue Funktionen lassen sich dann bequem durch Software-Updates freischalten, natürlich aus der Ferne. „Wir werden dadurch zukünftig in der Lage sein, die Fahrzeugfunktionen flexibel auf Basis der Kundenanforderungen anzupassen.“
Der digitale Zwilling
„Es wächst etwas zusammen“, bilanziert Prokosch: „Ein Konglomerat aus Hardware, Flottenmanagement und Interaktion mit dem Kunden.“ Daraus lasse sich dann auch ein sogenannter „digitaler Zwilling“ erschaffen: ein virtuelles Abbild des Fahrzeugs, das auf einem Bildschirm genau über Hardware, Software, Standort, Einsatz und Zustand des Staplers Auskunft gibt – und so eine Vielzahl an Auswertungen erst ermöglicht. Der Stapler, der wie eingangs beschrieben als digitales Abbild durch die Hallen oder im Außengelände der KION Kunden fährt.