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Aus automatisiert wird autonom: Intelligente Helfer für die Industrie 4.0

Die vierte industrielle Revolution ist in vollem Gange und verändert grundlegend die Art und Weise, wie Waren hergestellt werden. Aus konventionellen Fabriken werden Smart Factories mit vernetzter, intelligenter und sich selbst optimierender Produktion. Wo sich menschliche und digitale Intelligenz zu einer hocheffizienten Wertschöpfungskette verbinden, stellen sich auch für die Intralogistik spannende neue Fragen. Eine davon: Wie kann man fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) ähnlich wie Menschen denken und Aufgaben selbst lösen lassen? Und wie können Mensch und Maschine Seite an Seite arbeiten? Hierzu verfolgt die KION Group mehrere zukunftsweisende Forschungsinitiativen.

2022-02-09

Autonomes Fahren ist nicht nur in der Automobilindustrie der Heilige Gral des Fortschritts. Auch im Warenlager und in Produktionsumgebungen wird die Idee, Transportfahrzeuge ohne menschlichen Bediener fahren zu lassen, bereits seit den 1950er Jahren verfolgt – und erfolgreich umgesetzt. Während die Navigation damals noch ausschließlich über fest installierte Leitlinien funktionierte, haben die Raster-, Laser- und Konturnavigation mittels fortschrittlicher Sensorik den Freiheitsgrad der Fahrzeuge mittlerweile erheblich erhöht. Dennoch fehlen entscheidende Fähigkeiten, damit sich die Fahrzeuge wirklich frei im Raum bewegen und Hindernisse erkennen können – ohne das Zutun von Menschen und vor allem ohne Kollisionen. Wie dies in Zukunft im Rahmen einer Smart Factory und auch im Warenlager gelingen kann, ist Gegenstand mehrerer Forschungsinitiativen, an denen sich die KION Group maßgeblich beteiligt.

IMOCO4.E: Mehr Intelligenz für autonome Transportfahrzeuge

Teil-autonome Fahrzeuge werden bereits heute in vielen Produktionsumgebungen eingesetzt. Zwar ist es technischer Standard, dass ein Fahrzeug ein statisches Hindernis erkennen kann und bremst. Vollständig autonomes Fahren ist bislang aber noch eine Zukunftsvision. Hier setzt das kürzlich gestartete Projekt „IMOCO under Industry4.E“ (Kurzform für „Intelligent Motion Control") an, in das die KION Tochtermarke STILL maßgeblich involviert ist: Intelligente Transportfahrzeuge sollen mit Hilfe von KI und moderner Sensorik und Kommunikation befähigt werden, sich in einer Produktionshalle oder einem Lagerhaus komplett selbstständig zu bewegen, Hindernisse zu umfahren und intelligent ihren Weg zu suchen. Unterstützt wird IMOCO sowohl vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch von der Europäischen Union durch den Forschungsinkubator ECSEL (Electronic Components and Systems for European Leadership); zu den Projektpartnern gehört unter anderem das Fraunhofer IML.

Die technischen Herausforderungen sind hoch: Das Fahrzeug muss erstens in der Lage sein, seine Umgebung durch unterschiedlichste Sensorik (Kameras, Laserscanner und Radar) wahrzunehmen. Dies gilt nicht nur für räumliche Objekte wie Regale, sondern auch für Schilder, Markierungen und Anzeigen. Im zweiten Schritt soll das Fahrzeug das Wahrgenommene verstehen und lernen, Objekte zu klassifizieren: Sind sie statisch (wie Regale), beweglich (wie Paletten) oder sogar dynamisch (wie andere Fahrzeuge und Menschen)? Die Fähigkeiten zur Eigenlokalisierung (Wo bin ich?) werden erweitert und ein Verständnis über die zugewiesenen Aufgaben (Was soll ich tun?) hinzugefügt. Im letzten Schritt soll das Fahrzeug seine Aufgaben eigenständig lösen: die autonome Navigation zum Zielort, die Lasterkennung und -handhabung, das Fahren durch das Lager einschließlich maschineller Entscheidungsfindungen, wie das Ausweichen vor Hindernissen und das Finden eines logischen Platzes zum Absetzen einer Palette. Das sind typische Prozesse, die zukünftig von autonomen Transportflotten übernommen werden können.

IMOCO will den herkömmlichen Dreiklang aus Erkennen, Analysieren und Handeln mittels künstlicher Intelligenz zu Wahrnehmen, Verstehen und Lösen weiterentwickeln. Fahrzeuge werden befähigt, die räumliche Umgebung durch unterschiedlichste Sensoriken wahrzunehmen und antrainierte Objekte nicht nur zu erkennen, sondern auch ihre Bewegungen einzuschätzen. Im Hinblick auf die autonome Navigation ermöglicht dies eine Erkennung von Hindernissen in Echtzeit.

Ansgar Bergmann, Projektleiter für IMOCO bei der KION Group

Der Abschluss des Projektes ist für das vierte Quartal 2024 geplant. Ziel ist es, die autonomen Fähigkeiten der Fahrzeuge maßgeblich zu erweitern und ein breiteres Einsatzgebiet in Mensch-Maschine-Produktionsumgebungen zu erschließen.

Deep PTL: Mit Deep Learning die Sehnerven selbstfahrender Stapler schärfen

Bereits im September 2018 gestartet ist ein Projekt, das sich mit ähnlichen Fragestellungen befasst. „Deep PTL“ lautet der Name der Forschungskooperation (eine Wortkombination aus „Deep Learning“ und dem Akronym für Produktion, Transport und Logistik), die selbstfahrenden Fahrzeugen mehr Sehkraft und somit mehr Autonomie im Lager verschaffen soll.

Mit den Wissenschaftlern der Universität Freiburg und den Sensorspezialisten der Sick AG suchen die Ingenieure der KION Group in dem Projekt gemeinsam nach Modellen, wie eine „Künstliche Intelligenz“ Objekte erkennt – und dafür so wenig Parameter wie möglich benötigt. Denn es ist wichtig, dass ein Fahrzeug nicht nur vor Hindernissen bremst, sondern auch unterscheiden kann, ob es sich dabei um einen Menschen oder zum Beispiel nur um eine flatternde Plastikplane handelt. Hier kommt Deep Learning zum Einsatz – also bestimmte Optimierungsmethoden, mit denen neuronale Netze jene Aufgaben mathematisch lösen können, die der Mensch intuitiv löst. „Wir benutzen dazu Deep Learning-Verfahren, die sind sehr mächtig in der Erkennung von Objekten und auch der Grund, warum derzeit in so vielen Branchen ein Hype auf dem Thema Künstliche Intelligenz liegt“, sagt Patrick Erbts, Research Manager Technology & Innovation bei KION. Bei der Umsetzung gibt es einige Herausforderungen: Zum einen ist die Rechenkapazität der Computerchips an Bord der Fahrzeuge beschränkt, was dem Lernen Grenzen aufzeigt. Zum anderen sind die Sichtverhältnisse in Lager- und Produktionsumgebungen oft nicht optimal und führen dazu, dass Objekte falsch erkannt werden. Ansatz des Projekts ist es, die Daten aus verschiedenen Sensoren zu fusionieren. Dazu wurde eigens eine mobile Plattform entwickelt, die mit modernster Sensortechnik ausgestattet ist. Diese ist besonders für das Training des neuronalen Netzes und dessen Weiterentwicklung notwendig. Das Projekt soll 2022 abgeschlossen werden

Deep PTL soll selbstfahrenden Fahrzeugen mehr Sehkraft und Autonomie im Lager verschaffen.

QBIIK: Autonome Helfer für die Automobilindustrie

Wie lassen sich autonome Technologien und menschliche Fähigkeiten noch besser verbinden? Und welche Sicherheitsvorrichtungen sind nötig, um Transportfahrzeuge gemeinsam mit Menschen in derselben Umgebung agieren zu lassen? Diesen Fragen widmete sich das Projekt QBIIK , das bereits 2020 erfolgreich abgeschlossen wurde. Zu den Projektpartnern gehörte neben der KION Tochter STILL auch die Audi Sport GmbH und das Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Gegenstand der Forschungsarbeit war es, die autonome Produktionsversorgung eines „Supermarkts“ mit einem mobilen Roboter zu untersuchen und zu entwickeln. In der Automobilindustrie bezeichnet ein Supermarkt den Ort, an dem den Monteuren die benötigten Bauteile für die Produktion zur Verfügung gestellt werden – also ein Lager nahe der Produktionsstrecke. Bei QBIIK wurde dazu ein lernfähiges autonomes Kommissionier-System, der iGo neo von STILL, mit einem Greifroboter ausgestattet, um selbstständig zum Supermarkt zu fahren und die georderte Ware zu holen. Über eine Mensch-Maschinen-Schnittstelle konnte im Bedarfsfall, etwa bei misslungenen Greifprozessen, ferngesteuert menschliche Unterstützung über eine Virtual-Reality-Benutzerschnittstelle angefordert werden. In diesem Fall übernahm der Mensch die Kontrolle über den Roboter und führte Erkennungs- und Greifprozesse durch. So lernte das Robotersystem vom Menschen, mit neuen Arbeitsprozessen umzugehen und neue Arbeitsschritte selbständig durchzuführen. Der Prototyp hat den Testlauf beim Anwendungspartner Audi in der produktiven Lagerumgebung erfolgreich bestanden.

Alle diese Projekte markieren wichtige Meilensteine auf dem Weg hin zur Intralogistik 4.0. Die KION Group und ihre Marken bringen ihre ganze Kompetenz und Erfahrung in diese und weitere wichtige Forschungsprojekte mit ein, um zukünftige Anforderungen der Industrie frühzeitig zu verstehen. Denn nur so können wir unseren Kunden die passenden Lösungen für ihren zukünftigen Erfolg bieten.

Gegenstand von QBIIK war es, die autonome Produktionsversorgung eines „Supermarkts“ mit einem mobilen Roboter zu untersuchen und zu entwickeln.