Für Oosterhuis und sein Team ist die Entwicklung der Virtual-Facility-Plattform ein echter Durchbruch, gerade auch im Hinblick auf das Angebot der KION Group an ihre Kunden. Dr. Kelly Bartlett, Senior Product Owner Virtual Facility Development, ist überzeugt: „Unsere Kunden profitieren immens davon, dass wir Risiken jetzt schon zu einem früheren Zeitpunkt im Entwicklungsprozess identifizieren und mindern können. Die Kunden können uns über die speziellen Erfordernisse und Workflows ihrer Anlage informieren, dann gibt ihnen Dematic iQ Virtual die Möglichkeit, ihre individuelle Software-Lösung zu bestätigen, bevor sie tatsächlich ‚live‘ geht.“
Ein weiterer signifikanter Vorteil ergibt sich aus den integrierten Optionen, mit denen die Funktionalität der Warehouse Control Software (WCS) validiert und bewertet werden kann, wenn es um den Umgang mit Herausforderungen im Lager geht. Wie geht die Software beispielsweise damit um, wenn bei einem Kunden an einem bestimmten Tag mehrere manuelle Kommissionierer ausfallen? Die Fähigkeit, solche Szenarien mit Hilfe des virtuellen, mit der WCS-Software von Dematic verknüpften Modells, effektiv zu simulieren, versetzt die F&E-Abteilung in die Lage, noch robustere Softwarelösungen zu entwickeln und zu implementieren.
Aber wie kam es eigentlich dazu, dass ein junges Team von Softwareentwicklern in Waterloo, Ontario – Kanadas Antwort auf Silicon Valley – diese bahnbrechende Technologie kreieren konnte? Die Antwort lautet: durch die Zusammenstellung eines Teams aus Menschen mit ganz unterschiedlichen technischen Fertigkeiten, aber einem gemeinsamen Fokus auf den Bau eines Anlagenemulationssystems, das es so in der Branche bisher nicht gegeben hatte. Im nächsten Schritt nutzte das Team die Leistungskraft fortschrittlicher Gaming-Technologien. So entstand eine flexible und skalierbare Plattform.
„Wir wollten ein hochmodernes Taschensystem mit mehr als 300.000 Taschen in ständiger Bewegung simulieren – ein System, das rund 42.000 Nachrichten pro Sekunde generieren kann“, beschreibt Oosterhuis. „Außerdem arbeiteten wir an Hängewaren-Sortiersystemen und an KIONs fortschrittlichen AGV-Systemen.” Eine weitere Herausforderung ergab sich aus der Größe der neueren Warenlager: Manche haben heutzutage eine Fläche von über 140.000 Quadratmetern. Eine Kunde aus der Bekleidungsbranche nutzt mehr als 50 Dematic-Multishuttle-Lagersysteme, ein anderer in den USA hat Transportbänder in einer Länge von insgesamt über 20 Kilometern. Mega-Komplexe dieser Art hatten lange Zeit geradezu gewartet auf die Möglichkeit, bereits in einem möglichst frühen Stadium des Projekts bereits anspruchsvolle Workflows simulieren und validieren zu können. Der Übergang zu einer Plattform auf Basis jener von Dematic verwendeten Gaming-Technologien löste die Skalierungsprobleme. Mit der weiter zunehmenden Größe und Komplexität der Kundensysteme werden die Investitionen in diese Plattform anhalten.
Und die nächste Zutat für diese Mischung? KION habe in der Branche bereits den Maßstab für Anlagensimulation gesetzt, meint Bartlett, „doch im Zuge der Integration von Künstlicher Intelligenz in unsere Industrie 4.0-Plattform sehen wir aktuell bereits viele neue Chancen für uns.“ Die Digital-Twin-Software bilde eine von drei Software-Säulen, die „unseren Lösungen im WCS-Bereich neue Dimensionen der dynamischen Adaptivität verleihen“, so Bartlett weiter. „Unsere aktuellen Entwicklungen werden dazu beitragen, die Produktivität und Effizienz in der Lagerhalle auf eine neue Ebene zu heben.“
Dematic iQ Virtual hilft nicht nur mehreren KION-Teams weltweit bei der Validierung kundenspezifischer Lösungen, auch Kunden selbst sind zunehmend in die agile Entwicklung der neuen Softwarelösung eingebunden und können so die Fortschritte unmittelbar verfolgen. Damit erhöht sich auf beiden Seiten das Gefühl der Kooperation.
„Sehr interessant ist außerdem, dass wir dank des visuellen Aspekts der Emulation nun ein größeres Spektrum an Mitarbeitern innerhalb einer Kundenorganisation ansprechen können”, ergänzt Oosterhuis. Das sei eine direkte Folge des Gaming-Bestandteils. „Die Lösung ist auf vielen Ebenen weniger konzeptionell und dafür viel realitätsnäher“, fügt er hinzu. Außerdem hätten mehrere Kunden, die die Software bereits gesehen haben, seinem Team und ihm versichert, es handele sich hierbei um „die beste Anlagensimulationssoftware auf dem Markt“.
Nach vierjähriger Entwicklungszeit haben die Experten in Ontario allen Grund dazu, stolz zu sein: Ihr Produkt wird in zahlreichen Vertriebsprozessen bei Dematic bereits erfolgreich eingesetzt und wurde allein im vergangenen Jahr bei der Implementierung von 14 Anlagen zur Validierung funktioneller Erfordernisse verwendet. Und wohin führt der Weg als nächstes? Oosterhuis zeigt sich begeistert: „Unsere virtuelle Anlage ist perfekt aufgestellt für die Integration Künstlicher Intelligenz, und wenn es uns gelingt, die Durchschlagskraft der KI zu nutzen, können wir mit der Entwicklung von Algorithmen starten, die weit über alles hinausgehen, was wir bislang kennen.“