„Die Kunden interessieren sich heute für eine Leistung, nicht mehr für die Technik dahinter“, unterstrich Stefan Prokosch, Head of Product Management Counterbalance Trucks bei Linde Material Handling, auf der 19. Flurförderkonferenz des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) im September in Baden-Baden, und forderte deswegen die Branche auf: „Wir müssen uns mehr bei den Kunden integrieren, ihre Prozesse noch besser verstehen, lernfähig bleiben – um jeden Tag besser zu werden.“
Alle zwei Jahre treffen sich die Produzenten, Forscher, Zulieferer und Kunden der Material-Handling- und Intralogistik-Branche für zwei Tage zu der vom VDI organisierten Tagung. Ein Branchentreffen, bei dem Neuheiten vorgestellt und Trends diskutiert werden. „Man tauscht Erfahrungen aus, ohne natürlich Interna preiszugeben“, formuliert es Heiner Sternstein, Entwicklung Flurförderzeuge bei Linde MH, und Tagungsleiter der Konferenz: „Für die Hersteller ist es immer auch interessant, die Erfahrungen der Betreiber zu hören.“
Zukunft mit Lithium-Ionen-Batterie
Antriebe und Antriebstechnik waren ein heiß diskutiertes Thema. Ottmar Neuf, Director Development Engines KION Group, etwa fragt: „Hat der Diesel noch eine Zukunft im Gabelstapler? - Ja, vorerst. Vor allem in klassisch schweren Einsatzfeldern und in Ländern mit niedrigen Emissionsstandards.“ Gleichzeitig aber habe die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie schon große Fortschritte gemacht, so dass sie bereits jetzt eine ernstzunehmende Alternative sei, auch in schweren Geräten zum Transport von großen Lasten.
Ins Detail ging Joachim Hirth, Innovation & Technology, Linde MH, mit seinem Fachvortrag zu den verschiedenen Arten der Lithium-Ionen-Batterie und den Perspektiven, sie zu verbessern. Im Anforderungs-Dreieck zwischen Energieleistung, Sicherheit und Lebenslänge müssen die Entwickler bislang immer bei mindestens einem Bereich Abstriche machen. Aber die Wissenschaft habe bereits Lösungsansätze parat: „Manche dieser Innovationen sind vorerst nur im Labor realisiert, aber einige andere werden wir schon in den nächsten fünf Jahren sehen“, versprach Hirth.
Ein Mix an Antrieben
Einer der Gründe, warum die Lithium-Ionen-Technik derzeit so viel Auftrieb erhält: Im Gegensatz zu Alternativen wie der Bleisäurebatterie muss die Lithium-Ionen-Batterie nicht gewechselt werden. „Mit kluger Zwischenladung kann man bereits jetzt problemlos Zwei- und Drei-Schicht-Betriebe damit fahren“, haben Hirth und sein Team bei Linde errechnet.
„Auch wir wollen den Batteriewechsel gerne möglichst eliminieren“, bekräftigte Matthias Kromm, technischer Planer, Daimler AG, aus Anwendersicht. In Kromms Werk in Düsseldorf fahren deswegen auch Linde Stapler mit Brennstoffzellenantrieb seit Juni 2015 im Langzeittest. „Sie fahren noch immer, es funktioniert gut“, berichtete Kromm, und zeigte sich besonders angetan davon, dass die Brennstoffzelle schnell und sicher betankt werden kann, während das Wechseln oder Laden von Batterien mehr Arbeitsschritte benötigt. Es werde auch künftig einen Mix an Antriebstechnologien geben, je nach Anforderung, lautete das Fazit der Branchenexperten, wobei sich die Tendenzen in Richtung innovativer Antriebe wie Lithium-Ionen und Brennstoffzelle verschieben könnten.
Automatisierung, Vernetzung, Antriebstechnologien – immer wieder zeigte sich während der Konferenz, wie stark sich die Zukunftsthemen überlappen und gegenseitig beeinflussen. Kein Wunder, zahlen viele dieser Innovationen doch auf die großen „Globalen Megatrends“ ein, die Prokosch in seinem Zukunftsvortrag identifizierte: Urbanisierung, Globalisierung und größere Mobilität führen dazu, dass nicht nur im Warenlager der Zukunft, sondern schon jetzt immer größere Warenmengen in immer kleineren Paketen noch schneller bearbeitet werden müssen. „An vielen Stellen sind wir auf dem Weg zu vollautomatisierten Lagern“, sagte Prokosch und bilanzierte: „Von all diesen Trends partizipiert unsere Branche überdurchschnittlich.“
Wissen vernetzen
Wie sich konkret Vernetzung nutzen lässt, demonstrierte auch Sebastian Erdmann, Leitung Digital Solutions bei STILL, gemeinsam mit Kooperationspartner Roman Cunis, dem Leiter IT Serviceentwicklung von ServiceXpert: Zusammen entwickelten sie ein System zur Fahrzeug-Diagnose. „Wenn der Servicetechniker früher das Problem nicht vor Ort direkt lösen konnte, kostete das wertvolle Zeit“, schilderte er. Auch eine reine Remote-Diagnose, bei der Störungen an Staplern und anderen Geräten webbasiert analysiert und behoben werden, sei nicht optimal, weil kein Techniker vor Ort helfen könne. Mit der kooperativen Diagnose könne sich ein Techniker hingegen parallel mit externen Experten vernetzen. „Nur wer Wissen vernetzt, kann sich weiter entwickeln“, unterstrich Erdmann.
Innovationspotenzial, das wurde deutlich, gibt es reichlich. „Auch wenn der Markt manchmal bei Innovationen anfangs noch vorsichtig ist – einer muss anfangen“, sagte Tagungsleiter Heiner Sternstein von Linde. Man möchte in zehn Jahren auf erfolgreiche Ideen zurückschauen und denken: Das war genau der richtige Schritt zur richtigen Zeit.“