Neue Fertigungslinie für Brennstoffzellen
Fahrzeuge, die Wasserdampf statt Abgase ausstoßen - das ist keine Zukunftsmusik, sondern bei KION im Hamburger Werk ab sofort gelebte Realität.
2023-11-15
Fahrzeuge, die Wasserdampf statt Abgase ausstoßen - das ist keine Zukunftsmusik, sondern bei KION im Hamburger Werk ab sofort gelebte Realität.
2023-11-15
Drei, zwei, eins - die Gäste aus Presse und Politik zählen gemeinsam den Countdown herunter. Um Punkt 12 Uhr ist es so weit: Mit einem Druck auf den Startknopf eröffnen Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg und Professor Dr. Klaus Bonhoff, Abteilungsleiter für Grundsatzangelegenheiten im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), gemeinsam mit Dr. Florian Heydenreich, Executive Vice President Sales & Services STILL EMEA, feierlich die erste Produktionslinie für Brennstoffzellensysteme im Hamburger Werk.
Viel Applaus gibt es dafür - zu Recht, denn die KION Group ist damit der erste Flurförderzeughersteller, der ein eigenes Brennstoffzellensystem anbietet und damit – neben den elektrischen Motoren – zum echten „One-Stop-Shop“ für nachhaltig angetriebene Flurförderzeuge wird.
„Als Vorreiter der Intralogistikbranche sehen wir uns in der Verantwortung, die Energiewende mutig und konsequent voranzutreiben“, erklärt Dr. Florian Heydenreich, Executive Vice President Sales & Services bei der KION Tochter STILL EMEA.
Normalerweise beschäftigt sich Projektleiter Sebastian Klemz mit Klein- und Kleinstteilen, wenn er eine neue Fertigungslinie plant. Für die Brennstoffzelle, die die Hamburger gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus Aschaffenburg entwickelt haben, hängen jetzt mächtige zitronengelbe Kräne an der Hallendecke, die bis zu einer Tonne heben können. Denn die 24-Volt-Brennstoffzelle ist mit ihren 340 Kilogramm alles andere als ein Leichtgewicht. Und ein bisschen nach Raketenantrieb sieht der rote Tank im grauen Stahlgehäuse auch aus. Doch was hinten rauskommt – Wärme und Wasser – kann sich auch im besten ökologischen Sinne sehen lassen. Nicht umsonst gilt Wasserstoff als wichtiger Baustein in der Energiewelt der Zukunft.
Wasserstoff kann klimaneutral mit regenerativ erzeugtem Strom hergestellt werden und eignet sich für Anwendungen in der Industrie, zur Wärme- und Stromerzeugung sowie für Mobilität und Intralogistik. Er ist dabei 14-mal leichter als Luft, ungiftig, nicht korrosiv und nicht radioaktiv. Wasserstoff entzündet sich nicht selbst und verbrennt mit farbloser Flamme rückstandsfrei. Kurz: Wasserstoff steckt voller Energie und kann als grüner, CO2-neutraler Wasserstoff nachhaltig produziert werden. Da Wasserstoff für eine klimafreundliche Energiewende in Industrie und Verkehr eine essenzielle Bedeutung zukommt, fördert die Bundesregierung mit der Nationalen Wasserstoffstrategie 2020 den Einstieg in die Wasserstoff-Wirtschaft.
Als „Schnittstelle zur Konstruktion“ bezeichnet sich Klemz. „Das hier - die Fertigungslinie für die Brennstoffzelle - ist für uns eine ungewöhnlich große Baugruppe. Sonst bauen wir eher Lenkeinheiten oder Frequenzumrichter, die innerhalb von zehn Minuten produziert werden.“
Doch so schnell geht es bei der deutlich größeren Brennstoffzelle nicht. Mit einer Zielzeit von zwei bis zweieinhalb Stunden sollen die brandneuen Brennstoffzellen vom Band laufen. Dafür braucht es nicht nur geschultes Personal, sondern auch eine ausgeklügelte Fertigungsstraße, in der jede Kiste und jedes Regal, jeder Schraubendreher und nicht zuletzt die abschließende Qualitätsprüfung ihren idealen Platz hat.
Mit viel Engagement entwickeln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Fertigungslinie ständig weiter, Bis zu 5.000 Brennstoffzellensysteme sollen so künftig im Jahr hergestellt werden können.
„Wir sind stolz darauf, nachhaltige Antriebe zu produzieren“, sagt Mechatroniker Robert Fouquét.
Ganz soweit es heut aber noch nicht. Überall in der Halle klopft und klingelt es. Es wird geschraubt, gehämmert, montiert, geschweißt während gleichzeitig der Wasserstofftank der ersten offiziellen Brennstoffzelle, die das Hamburger Werk verlässt, mit Hilfe des gelben Krans sein schützendes Stahlgehäuse erhält. Mechatroniker Robert Fouquét freut sich, Teil dieses innovativen Technologie-Projekts zu sein. „Wir sind stolz darauf, nachhaltige Antriebe zu produzieren“, erklärt er und fährt kurz darauf die inzwischen fertig montierte Zelle in den Prüfstand.
Auch an der Entwicklung des 48-Volt-Systems wird bereits gearbeitet, denn dafür ist die bestehende Linie ebenso ausgelegt wie für die noch leistungsstärkeren 80-Volt-Systeme. Dann können die zitronengelben Kräne wirklich zeigen, was alles in ihnen steckt, denn die größeren Systeme kommen nochmal mit deutlich mehr Gewicht daher.
Wenn von Brennstoffzellen die Rede ist, sind im Bereich der Flurförderzeuge immer so genannte „Battery Replacement Module“ (BRM) gemeint. Ein BRM ist ein geschlossenes System und entspricht in Form, Größe und Gewicht einer Batteriewanne. Innerhalb des BRM sind alle für die Stromerzeugung notwendigen Komponenten enthalten. Dazu gehören die Brennstoffzellen, der Wasserstofftank, Tankstutzen, eine kleine Lithium-Ionen-Batterie und weitere Komponenten. Die Energie wird zwischengespeichert. Elektrische Lastspitzen, zum Beispiel beim Heben einer Last, können so problemlos bewältigt werden.
Während die Wasserstofftechnologie für Privatfahrzeuge derzeit noch eine untergeordnete Rolle spielt, kann sie den Antriebsmix der Industrie insbesondere in hygienekritischen Branchen (z. B. der Lebensmittel- oder Pharmaindustrie) bereits heute sinnvoll ergänzen. Für die Zukunft wird der Technologie darüber hinaus eine bedeutende Rolle zugeschrieben.
Denn da das Brennstoffzellensystem keine Emissionen erzeugt, eignet es sich besonders für den Betrieb in geschlossenen Lagerhallen. Zudem arbeiten die Systeme komplett ohne den Einsatz giftiger Säuren oder anderer Schadstoffe. Ein großer Vorteil gegenüber herkömmlichen Blei-Säure-Batterien, nicht nur wenn diese am Ende ihres Produktlebenszyklus in den Recyclingkreislauf zurückgeführt werden.
„Als Vorreiter der Intralogistikbranche sehen wir uns in der Verantwortung, die Energiewende mutig und konsequent voranzutreiben“, erklärt Dr. Florian Heydenreich, Executive President Sales & Services bei der KION Tochter STILL EMEA. Der Ausbau der grünen Wasserstofftechnologie als emissionsfreier und ressourcenschonender Antrieb spiele dabei eine entscheidende Rolle.
Eine Entwicklung, die auch Valeria Gargiulo, Chief People & Sustainability Officer der KION GROUP AG, begrüßt. „Mit dem Einstieg in die Produktion von Wasserstoffantrieben reagieren wir auf die steigende Nachfrage unserer Kunden nach einem emissionsfreien und nachhaltigen Antrieb, der gleichzeitig schnell betankt werden kann“, erläutert Valeria Gargiulo die Vorteile des Brennstoffzellensystems. „Außerdem bieten wir den Kunden jetzt alles aus einer Hand: Das Fahrzeug, die Brennstoffzellensysteme und den dazugehörigen Service.“
Mit dem Druck auf den roten Knopf ist die Arbeit im Hamburger Werk der KION-Tochter STILL also nicht getan. Im Gegenteil: Sie fängt jetzt erst richtig an.