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Linde MH und Porsche Engineering – ikonisches Stapler-Design seit mehr als 40 Jahren

Funktionalität, zeitlose Eleganz und eine klare Formsprache: Das haben Designklassiker aus allen Jahrhunderten gemeinsam. Auf diese Attribute setzt auch die KION Marke Linde Material Handling beim Design ihrer Gabelstapler und hat sich deshalb Expertise aus dem Automobilbereich geholt. Seit mehr als 40 Jahren entwickelt die KION Tochter gemeinsam mit Designern von Porsche Engineering Gabelstapler-Ikonen. Wir haben mit Stefan Stark, Designer für Porsche Engineering, über den Designprozess eines Gabelstaplers gesprochen und wollten wissen, was die Linde-Stapler so besonders macht.

2023-05-24

Herr Stark, Sie sind seit 1995 als Designer in der Porsche-Kundenentwicklung bzw. für Porsche Engineering im Auftrag von Linde MH tätig. Wie sind Sie zum Design von Gabelstaplern gekommen?

Beeinflusst durch meinen Vater, der auch schon als ‚Formgestalter’ tätig war, konnte ich mir seit meiner Kindheit eigentlich nichts anderes vorstellen als auch Designer zu werden. Nach dem Produkt- und Automobildesign-Studium in Berlin und den USA und ersten Stationen in der Automobil-Industrie kam ich 1992 zur Fa. Porsche und bin dort relativ schnell in die sogenannte Kunden- bzw. Fremdentwicklung gerutscht. Das ist ein Bereich, der mich persönlich sehr interessiert, mir Spaß macht und für den ich vielleicht auch ein gewisses Talent mitbringe. Für mich war es immer eine Herausforderung, mit möglichst vielen unterschiedlichen Projekten in Kontakt zu kommen und mich auf viele neue Dinge einzustellen. Einer der großen Kunden bei Porsche in der Fremdentwicklung war auch zu der Zeit schon Linde Material Handling. Interessanterweise war das aber nicht mein erster Kontakt mit Gabelstaplern. Bereits während meines Studiums in Berlin hatten wir ein Projekt, bei dem wir uns mit unterschiedlichen Konzepten zu Flurförderzeugen beschäftigt haben. So hat sich der Kreis dann geschlossen.

Stefan Stark ist seit 1995 als Designer für Linde MH tätig. Er sagt über sich: „Ich begeistere mich für Produkte, die sich bewegen und von der Interaktion zwischen Mensch und Maschine geprägt werden.“

Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Gabelstaplern. Wie gehen Sie den Designprozess an?

Das Papier ist erstmal weiß. Aber es gibt natürlich Vorgaben von Linde, die in der Regel sehr konkret sind. Das sogenannte ‚technische Package‘. Das beinhaltet neben den technischen Komponenten die Position des Fahrers, Höhe und Breite des Fahrzeugs bis hin zu Radstand und Radgröße, sowie die Gesamtabmessungen und den Wenderadius. Der ist beim Gabelstapler sehr kritisch, weil Wendigkeit und der benötigte Platz im Warenlager eine große Rolle spielen. Der Stapler soll möglichst kompakt sein, aber gleichzeitig Raum und Komfort für den Fahrerarbeitsplatz bieten.

Nach der Analyse des technischen Packages beginnen wir dann zu zeichnen und zu überlegen, wie man die Gesamtabmessungen und Proportionen in den Griff bekommen bzw. auflösen kann. Zwischendurch legen wir das Package auch mal zur Seite und arbeiten freier, um unterschiedliche Design-Themen zu erkunden. Unser Ziel ist es ein eigenständiges Design mit unverwechselbarer Linde Identität zu entwickeln, das die herausragenden Qualitäten der Linde Fahrzeuge zum Ausdruck bringt und erlebbar macht. Wie die Technik soll sich auch das Design ständig weiterentwickeln und perfektioniert werden. Wir beschreiben das als ‚progressive Evolution’.

Der Design-Prozess eines Gabelstaplers, wie der des Linde X20, dauert rund drei Jahre. Dabei ist das Team um Stefan Stark von Anfang bis Ende mit dabei, um sicherzustellen, dass alle Faktoren einbezogen werden und für Linde ein möglichst perfektes Gesamtprodukt entsteht.

Bei gutem Design geht es oftmals um den Wiedererkennungswert. Haben die Linde-Stapler dieses EINE Design-Element, das sie von anderen unverwechselbar macht?

Ich weiß noch genau, als 1985 der Linde 351auf den Markt kam. Das war der erste Stapler, den die Porsche Kundenentwicklung für Linde designt hat. Wo heutzutage Jaguars und Porsches in der Abflughalle des Frankfurter Flughafens ausgestellt sind, stand damals der 351. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht für Porsche tätig, aber für mich war dieser Stapler mit der abgekoppelten Kabine ein beeindruckendes Statement. Der 351 wurde zur Ikone für Gabelstapler schlechthin und wegweisend für den gesamten Bereich der Industriefahrzeuge. Wie der 351 haben wir auch heute noch ein sehr emotionales und dynamisches Design. Wir versuchen natürlich, die Form weiterzuentwickeln und haben nach und nach zusätzliche Design-Elemente zu einer ‚Ikonografie’ hinzugefügt, die heutzutage einen Linde ausmachen. Eines ist die so genannte ‚Shark-Fin’, also die graue ‚Haifisch-Finne’ auf der Seite, auf der ‚Linde’ und die Typbezeichnung zu lesen sind. Die Ursprüngliche Idee für diese ‚Shark-Fin’ war es, die Seite von Gabelstaplern, die bei manchen Fahrzeugen sehr hoch und sehr voluminös ist, optisch aufzubrechen. Man hat also nicht mehr nur eine riesige rote, seitliche Fläche, sondern kann die Proportionen besser variieren und gleichzeitig den Markennamen hervorheben. Ein anderes Beispiel ist die Dreidimensionalität in den Seitenteilen und dem Gegengewicht, die es uns ermöglicht unser Know-how aus dem Automobil-Design einzusetzen, um den Fahrzeugen eine höhere optische Wertigkeit und Agilität zu verleihen. Dynamik und Sicherheit vermitteln auch die schräg gestellten hinteren Doppelsäulen, die eine konstruktive Voraussetzung für die Linde-typischen obenliegenden Neigezylinder sind.

Porsche Engineering arbeitet seit Jahrzehnten mit Linde MH zusammen. Wie haben sich die Aufgaben und Prozesse im Laufe der Jahre verändert?

Grundsätzlich werden die Projekte und die Erwartungen immer anspruchsvoller. Das kommt daher, dass immer mehr Komponenten in einen Stapler integriert werden müssen und es mehr Synergien zwischen den Modellreihen gibt, ohne dass die Fahrzeuge wachsen sollen. Bedingt durch moderne Prozesse ist die Arbeit heutzutage simultan und wir tauschen ständig CAD Daten mit der Konstruktion aus, wo früher erstmal ein physisches Model gebaut wurde und dann die konstruktive Umsetzung erfolgte. Materialien und Fertigungsprozesse haben sich bei Gabelstaplern nicht grundlegend geändert; werden aber immer wieder neu aufeinander abgestimmt und optimiert. Die Elektronik und Digitalisierung wirkt sich vor allem auf den Fahrerarbeitsplatz aus und ermöglicht unterschiedliche Bedienkonzepte, Assistenzsysteme und Informationsinhalte. Für verschiedene Projekte hat Porsche Engineering in der Vergangenheit Ergonomie-Studien durchgeführt, aus denen das sogenannte ‚Ergonomie-Dreieck’ entwickelt wurde und eine aus Sicht von Linde ideale Sitz - und Fahrposition definiert. Nach und nach sind dann neue Innovationen hinzugekommen, die viel Detailarbeit verlangen, wie zum Beispiel die Joystick-Bedienung ‚Linde Load Control’. Die befindet sich auf der Armlehne auf der rechten Seite und ist vielfach kopiert worden. Als neueste alternative Bedieneinheit haben wir den Multifunktionshebel entworfen, der in Zusammenarbeit von Linde, dem Fraunhofer Institut und Porsche Engineering entwickelt wurde und weniger wie ein Hebel wirkt, sondern eher einer Computer-Maus ähnelt.

Stefan Stark und Manuel Aydt bei der Entwicklung des Multifunktionshebels. Die Form des Linde-Multifunktionshebels ist exakt an die menschliche Anatomie angepasst. Dadurch liegt die Hand des Fahrers in ihrer natürlichen entspannten Haltung auf dem Bedienhebel, der eine nahezu organische Verbindung zwischen Fahrer und Fahrzeug herstellt.

Gibt es externe Einflüsse, die Ihr Design zukünftig vor ganz neue Herausforderungen stellen werden?

Ja, gerade im digitalen Bereich. Durch die technologischen Änderungen und die Digitalisierung steigen die Erwartungen an das Bedienerlebnis, das der Fahrer im Fahrzeug hat. Es gibt so viele Optionen, die in ein Display eingebaut werden können. Auch das Thema autonome Fahrzeuge und die künftige Rolle des Fahrers bzw. der Fahrerin werden immer wichtiger. Da wird es noch viele Veränderungen geben.

Das Interview mit Stefan Stark ist Teil des „LAGER-Feuer“ Podcasts der KION Group. In der zweiten Staffel beschäftigen wir uns mit dem Thema Wandel, das in unterschiedlichen Teilen der Intralogistik stattfindet. Vom Design von Gabelstaplern über alternative Antriebe bis zur Digitalisierung, wir sprechen mit Expertinnen und Experten aus den wichtigsten Feldern. Neugierig geworden?

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