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Logistik-Erfindungen, die Geschichte schrieben

Neue Methoden entwickeln. Bessere Technologien auf den Weg bringen. Intelligentere und effizientere Lösungen für bestehende und neue Herausforderungen finden: Dies ist der Anspruch, der die Erfinder in der KION Group antreibt – und der bis heute ein beeindruckendes Portfolio von 2.863 geschützten Patenten hervorgebracht hat. Gemeinsam mit den Erfindern, die hinter diesen Produkten stehen, blicken wir heute ausnahmsweise einmal nicht voller Tatendrang in die Zukunft, sondern anlässlich der „Engineers Week“ voller Stolz in die Vergangenheit: auf eine Geschichte wegweisender Innovationen der KION Group Marken, die die Intralogistik bis heute maßgeblich beeinflusst haben.

2021-02-22

National Engineers Week

Jedes Jahr rund um den Geburtstag von George Washington am 22. Februar feiert man in den USA die „National Engineers Week“. Der Zweck der Festwoche ist es, die Aufmerksamkeit auf die Beiträge zu lenken, die Ingenieure für die Gesellschaft leisten, und die Wichtigkeit des Erlernens von Mathematik, Wissenschaft und technischen Fähigkeiten zu betonen. Ein guter Anlass – auch über die USA hinaus – herausragende Ingenieursleistungen zu beleuchten und zu würdigen.

Mitarbeiterinnen von Latscha Lebensmittel tüteten 1925 Mandeln ein, die später im Ladengeschäft verkauft wurden.

„Ein konkretes Problem mit den Mitteln der Technik lösen“: So lautet die Definition, wenn man wissen will, was eine Erfindung ist. Von diesen „konkreten Problemen“ gibt es in der (Intra-)Logistik jede Menge – und zwar, seitdem zum ersten Mal ein Mensch sich die Frage stellte, wie man einen schweren Gegenstand am geschicktesten von A nach B transportieren könnte. Zugegeben: Die Erfindung des Rads liegt sehr lange zurück. Aber spätestens mit dem Beginn der Hochindustrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts stellten sich immer komplexere Aufgaben in Sachen Heben, Fördern und (innerbetrieblichem) Transport. Und seitdem haben die Ingenieure der KION Tochterunternehmen Linde Material Handling, STILL und Dematic sowie deren Vorgängerunternehmen immer wieder Pionierarbeit geleistet, stets die passenden Lösungen gefunden und damit immer wieder Industriestandards gesetzt. Im ersten Teil blicken wir auf die ersten 50 Jahre einer spannenden Geschichte, die die KION Erfinder noch heute fortschreiben – und reisen zurück ins Jahr 1922.

Paul Salzer, Erfinder des mobilen Förderbands

1922: Das weltweit erste mobile Förderband

Bereits im Jahr 1900 begann die Geschichte der Firma Stöhr, die 1970 von der Demag AG (also der heutigen Dematic) übernommen wurde. Wilhelm Stöhr gründete in Offenbach eine Maschinenfabrik und entwickelte eine bahnbrechende Geschäftsidee: die serienmäßige Produktion von Transportanlagen. Er und seine zwölf Mitarbeiter produzierten Aufzüge, Transportschnecken, Ketten für Kraftübertragungen sowie komplette Fabrikeinrichtungen. Nach dem frühen Tod Stöhrs stieg 1920 Paul Salzer in das Unternehmen ein. Der Visionär hatte zuvor in den USA moderne Fertigungsmethoden wie die von Henry Ford etablierte Fließbandfertigung kennengelernt. Diese Ideen brachte er bei Stöhr ein, baute die Meisterei in einen modernen Industriebetrieb um und brachte 1922 eine der wichtigsten Innovationen für die Industrieproduktion in Deutschland hervor: das weltweit erste fahrbare Förderband. Wenige Jahre später entwickelte Stöhr bereits die erste hängende Fördertechnik – ein Fortschritt, der eine komplett neue und viel effektivere Raumnutzung in den Fabriken ermöglicht.

Arthur Barrett, Erfinder des „Guide-O-Matic“

1954: Das weltweit erste fahrerlose Fahrzeug

Während des industriellen Aufschwungs in den 1950er Jahren dominierten in den Produktionshallen manuelle Tätigkeiten, bemannte Gabelstapler und am Boden installierte Fördertechnik das Bild. Vor allem schwerere Teile konnten nur ebenerdig gelagert werden. Viele Unternehmer hatten daher die Idee, menschliche Arbeitskraft komplett durch Maschinen zu ersetzen. Das entzündete den Erfindergeist von Arthur Barrett. In Northbrook, Illinois, erfand er 1954 mit seiner Firma Barrett Electronics den „Guide-O-Matic", das erste fahrerlose Fahrzeug der Welt. Somit war der Grundstein gelegt für flexibel manövrierende Transportsysteme, die vor allem repetitive Aufgaben übernehmen und eigenständig schwere Lasten transportieren können.

Ein Barrett Hybrid-FTS zum Transport von Regalen mit Metallteilen 1989 in der Stanzerei von Ford in St. Paul, Minnesota.

Erst um 1980 setzte sich der englische Begriff „Automated Guided Vehicle“ (AGV) durch. 1982 ging Barrett Electronics in Mannesmann Demag über, woraus später Dematic entstand. Noch heute gehören AGVs zu den Kernkompetenzen des Unternehmens – und noch immer lebt der Pioniergeist von Arthur Barrett beim KION Automationsspezialisten weiter: „Mein erster Job nach dem College war bei Barrett Electronics", berichtet Kenneth Ruehrdanz, Manager bei Dematic. Obwohl er damals nicht direkt an Barrett berichtete, sagt er, dass er Zeuge von Barretts Leidenschaft für Produktentwicklung und Innovation wurde.

Güldner Hydrocar

1959: Der weltweit erste Stapler mit hydrostatischem Antrieb und Doppelpedalsteuerung

Die Wurzeln von Linde Material Handling reichen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Mit Hugo Güldner und Georg von Krauss gründete Carl von Linde im Jahr 1904 die Güldner-Motoren-Gesellschaft. 1955 stellte Güldner eine Erfindung vor, die Technikgeschichte schreiben sollte: den hydrostatischen Antrieb für mobile Arbeitsmaschinen. Das erste mit dieser revolutionären Technologie ausgestattete Fahrzeug war das „Hydrocar“, eine Art Minilaster mit hydrostatischer Kraftübertragung. Dank dieser Technologie ist ein stufenloses Beschleunigen ohne Getriebe möglich, und zwar vorwärts wie rückwärts mit voller Motorleistung. Zum Ende des Jahrzehnts, im Jahr 1959, bringt Güldner dann den „Hubtrac“ auf den Markt, den ersten Gabelstapler mit Hydrostatik. Mit dem neuen Antriebskonzept wurde nicht nur das Anfahrverhalten feinfühliger, was beim Handling schwerer Lasten erheblich zur Sicherheit beiträgt, sondern es verbesserte sich auch der Wirkungsgrad.

Linde Hubtrac

Zeitgleich ermöglichte die Technologie eine vollkommen neue Steuerung, die bis heute charakteristisch für die Linde-Stapler ist: Mit der Doppelpedalsteuerung hat der Bediener jeweils ein Pedal zum Vorwärts- und eins zum Rückwärtsfahren, zum Bremsen nimmt man einfach beide Füße von den Pedalen. Somit setzte der Hubtrac neue Maßstäbe in puncto Fahr- und Bedienkomfort. Auch wenn sich das Grundprinzip des hydrostatischen Getriebes und der Doppelpedalsteuerung bis heute nicht geändert hat, sind den Entwicklungsingenieuren von Linde Material Handling in den vergangenen sechs Jahrzehnten immer wieder entscheidende technische Verbesserungen gelungen. So ist der Hydrostat bis heute Herzstück eines jeden verbrennungsmotorischen Linde-Staplers im Traglastbereich bis 18 Tonnen. „Der hydrostatische Antrieb war der Durchbruch für Linde als Staplerhersteller“, erklärt Frank Bergmann, Produktmanager Frontstapler bei Linde Material Handling. „Mit unseren Fähigkeiten hydrostatische Antriebe und Fahrzeuge zu bauen, haben wir hier den Markt für Verbrennungsstapler revolutioniert und bis heute hat kein Wettbewerber unsere Qualität des Antriebs erreicht.“

Regalbediengerät

1959: Das weltweit erste Regalbediengerät (RBG)

In den 1950er Jahren fand der Großteil des innerbetrieblichen Materialflusses immer noch in Bodennähe statt. Vor allem schwerere Teile mussten ebenerdig gelagert werden, wodurch Warenlager noch immer viel Platz brauchten. Es gab zwar schon Lagerregale, aber ihr volles Potential war noch nicht erschlossen. Um dieses Problem zu lösen, hatten die Demag-Ingenieure Friedhelm Podswyna, Horst-Werner Ruttkamp und Werner Kühn eine Idee: Sie stellten dreh- und fahrbare Masten in jede Regalgasse, an denen auch schwere Gegenstände mittels passender Lastaufnahmegeräte nach oben und unten gefahren werden konnten. Am Anfang waren die Masten noch mit der Decke und mit Schienen oben am Regal verbunden, bald aber standen, fuhren und drehten sie sich sicher auf dem Boden. So waren sie weitaus stabiler und es ließen sich jetzt viel mehr einzelne Gassen deutlich schneller, häufiger und gezielter ansteuern.

DEMAG Lager Kaufhof in Köln-Frechen

Mit dieser Innovation hatten die drei Erfinder das Tor zur Automatisierung der RBG aufgestoßen und einen Entwicklungspfad in der Lagertechnologie eröffnet, der bis heute verfolgt wird. Als das erste RBG 1962 in ein Buchklub-Lager bei Bertelsmann in Gütersloh eingebaut wurde, wurde es zumeist noch manuell von einer Kabine am Mast gesteuert. Es war aber auch schon automatisiert über Lochkarten-Steuerung bedienbar – der erste Schritt zur heutigen hochautomatisierten Softwaresteuerung. Mittlerweile sind Regalbediengeräte ein Grundbestandteil komplexer Logistikanlagen, die im Zusammenspiel mit weiteren Produkt- und Softwarelösungen ein hochdynamisches Gesamtkonzept bilden.Nachdem nun mit dem RGB die Höhe als wichtige Dimension im Lager nutzbar geworden war, ging es ab 1973 in der Lagertechnik im wahrsten Sinne des Wortes hoch hinaus: Die Mannesmann AG, ein weiteres Vorgängerunternehmen der heutigen Dematic, errichtete das erste automatisierte Hochregallager – ein Meilenstein, der die Bauweise von Distributionszentren für immer verändern sollte.

DEMAG Lager Kaufhof in Köln-Frechen

1973: Das weltweit erste automatisierte Hochregallager

Die nachhaltige Wirkung dieser Entwicklung konnte man in den 1980er Jahren deutlich beobachten: Überall schossen die Hochregallager wie Pilze aus dem Boden und wuchsen alsbald auf die noch heute geltende „Schallmauer“ von 45 Metern an. In den 1980er und 1990er Jahren kamen außerdem Computer- und IT-Technologien hinzu und damit Software-gesteuerte Lagerlogistik. Sensoren, Magnet- und Lasertechnik ermöglichten genauere Positionierungen, stufenlose Antriebssysteme senkten den Energiebedarf, neue Lastaufnahmegeräte kamen tiefer in Regale und es kamen unterschiedliche neue Behälter und Paletten-Systeme hinzu. Heute baut Dematic spezialisierte Hochregallager (u. a. im Tiefkühlbereich), die dank automatisierter Technik herausragende Lagerdichte mit extrem schnellen Ein- und Auslagerungsprozessen vereinen.

Werbeanzeige für das Freisicht-Hubgerüst

1977: Die Erfindung des Freisicht-Hubgerüsts

Parallel wurde beim Schwesterunternehmen STILL ein grundlegendes Problem beim Staplerfahren gelöst: Bei allen bis dato gebauten Gabelstaplern befand sich der Hubmast (ausgestattet mit einem großen Zylinder und mehreren Querstreben) in der Mitte der Hubeinheit und versperrte somit ständig die freie Sicht nach vorn. Dies stellte nicht nur ein Sicherheitsproblem dar, sondern erschwerte auch den Alltag der Fahrer, die ständig den Hals seitlich aus der Kabine herausrecken mussten, um die nötige freie Sicht zur Lastaufnahme und zum Fahren zu erhalten. Die Ingenieure von STILL entwarfen eine neue Konstruktion mit zwei schlankeren Masten und Zylindern und rückten diese so weit auseinander, dass dazwischen ein großzügiges Sichtfenster für den Fahrer entstand. Auf diese Weise hat das Freisicht-Hubgerüst den Gabelstapler als ergonomischen Arbeitsplatz und die Arbeitssicherheit revolutioniert – und einen bis heute gültigen Branchenstandard gesetzt.

Doch damit nicht genug, es geht noch weiter: Erfahren Sie im zweiten Teil unserer Serie, der am 24. Februar erscheint, mehr zu den einflussreichsten Innovationen der KION Group Marken – von den 1980er Jahren bis heute, und darüber hinaus.

Mastdurchsicht beim aktuellen STILL RX 60