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Maßgeschneiderte Logistik für gefährliche Umgebungen

Sicherheit hat im Lager immer oberste Priorität. Doch es gibt bestimmte Umstände, die besondere Anforderungen an die Intralogistik stellen – sowohl für den Schutz der Angestellten als auch der gelagerten Güter. Deshalb bieten die Marken der KION Group weltweit passende Lösungen für außergewöhnliche Umgebungen an: von erdbebensicheren Hochregalen in tektonisch aktiven Gebieten bis hin zu explosionsgeschützten Staplern für die chemische Industrie.

2020-10-14

Es war 4:35 Uhr am Morgen des 4. September 2010, als Christchurch von einem Erdbeben erschüttert wurde. Mit einer Stärke von 7.3 auf der Richterskala war das Beben so stark, dass die Erdstöße auf der gesamten neuseeländischen Südinsel zu spüren waren. In der Stadt schwankte der Boden, unzählige Gebäude und Straßen wurden schwer beschädigt, die Strom- und Handynetze brachen zusammen. Doch glücklicherweise kam an diesem Morgen kein einziger der rund 400.000 Einwohner, von denen viele aus ihren Häusern oder Arbeitsstätten geeilt waren, ums Leben.

Was an ein Wunder grenzt, ist strengen Vorsichtsmaßnahmen zu verdanken: Denn seit im Jahr 1855 ein Starkbeben die Hauptstadt Wellington verwüstete, gelten in Neuseeland Vorschriften für erdbebensicheres Bauen. Dadurch wurden 2010 bei dem Beben zwar viele Gebäude beschädigt, aber sie brachen nicht zusammen. Ein entscheidender Faktor, der an diesem Tag unzähligen Menschen das Leben rettete. Diese erfolgreichen Präventivmaßnahmen gelten aber nicht nur für Wohnbebauungen, sondern auch für die Planung von Lagerhäusern und Distributionszentren – mit besonderen Herausforderungen.

Erfahrener Partner für eine unerschütterliche Intralogistik

Als Foodstuffs, Neuseelands größter Lebensmittel- und Spirituosenhändler, 2012 ein neues Distributionszentrum in der Nähe von Christchurch plante, vertrauten sie auf das Know-how des KION Tochterunternehmens Dematic. Für eine reibungslose Belieferung der wichtigsten Supermarktketten auf der Südinsel implementierten die Supply-Chain-Spezialisten in dem 46.000 Quadratmeter großen Lager ein automatisiertes Order-Fulfillment-System – inklusive des erdbebensicheren Dematic Colby Protect-a-RACK Palettenregalsystems. „Dematic hat uns nicht nur unser neues Regal geliefert, sondern uns auch die wertvolle Beratung mitgeliefert, wie die Anordnung von Paletten das Verhalten des Lagersystems während eines Erdbebenereignisses beeinflussen kann", berichtet Kris Lancaster, Logistics Operations Manager bei Foodstuffs South Island Ltd. Mit einer intelligenten Strategie für die Gewichtsverteilung in den unterschiedlichen Ebenen wurden Schwankungen deutlich reduziert – und die lagerinternen Prozesse stehen seitdem dank Dematic buchstäblich auf sichereren Füßen.

Und das nicht nur bei Foodstuffs: Keine zwei Kilometer entfernt befindet sich das Zentrallager der Supermarktkette Countdown. Hier waren im Zuge des starken Bebens von 2010 mehr als ein Drittel der Regale zusammengebrochen. „Sie können sich nicht vorstellen, in welchem Schlamassel sich die Lager danach befanden, insbesondere unser Spirituosen-Lager, aus dessen Empfangs- und Versanddocks ein wahrer Fluss von Grog geflossen ist“, schildert Denva Galloway, Logistikmanagerin im Countdown Regional Distribution Center. Auch hier war das Dematic ColbyRACK Palettenregalsystem anschließend die Lösung: „Wir haben etliche kleinere Beben erlebt, seit Dematic unsere neuen Palettenregale installiert hat, und das ColbyRACK System hat ihnen allen bisher problemlos widerstanden.“ Es sei aufregend zu sehen, wie das Regalsystem bei einem Beben kontrolliert hin und her wiegt, beschreibt sie den Zustand im Lager während eines Erdstoßes. Sie geht sogar davon aus, dass seit der Inbetriebnahme kein einziger Karton aus dem Lagersystem gefallen ist – zumindest nicht während eines Bebens.

Das erdbebensichere Dematic Colby Protect-a-RACK Palettenregalsystem im Zentrallager der Supermarktkette Countdown

Auf Nummer sicher mit Automatisierung

Die präventive „Anti-Katastrophen-Kompetenz“ der KION Marken ist aber nicht nur in Neuseeland, sondern auch in Europa gefragt – zum Beispiel im norditalienischen Offanengo. Hier war COIM SpA, ein Hersteller chemischer Spezialstoffe, vor besondere Herausforderungen gestellt: Zum einen aufgrund der seismischen Aktivitäten, die in der Region immer wieder vorkommen. Zum anderen aufgrund der Art der gelagerten Güter – denn bei chemischen Lagergütern ist in erhöhtem Maß auf Sicherheit zu achten. „COIM ist ein sehr erfolgreiches Unternehmen, das sich auf die Sicherheit seiner Mitarbeiter und auf die Betreuung seiner hochtechnologischen Anlagen konzentriert", sagt Massimo Tonani, COIM-Betriebsleiter. Das Chemieunternehmen hatte sich entschlossen, die Entwicklung des neuen Distributionszentrums in die Hände der KION Tochterunternehmen Dematic und STILL zu legen. Gemeinsam stellten sie die Weichen für störungssichere, unfallfreie und hocheffiziente Lagerprozesse: von erdbebensicheren Regalen über Fahrerlose Transportsysteme (FTS) und Förderbänder für Paletten bis zur passenden Software.

Die zwei MX-X VNA-Stapler von STILL werden über das Dematic Automatisierungspaket zu einem Hybrid-FTS, auch bekannt als Dual-Use-FTS. Diese bieten neben einer manuellen Steuerungsfunktion im Bedarfsfall die vollständig automatische Ein- und Auslagerung von Paletten in das Dematic Fördersystem: 24 Stunden am Tag, sechs Tage in der Woche – vollautomatisch und garantiert ohne Verletzungen.

Ebenfalls in Norditalien – und ebenfalls für einen Hersteller chemischer Stoffe – hat eine weitere KION Marke eine automatisierte Lösung implementiert: nämlich Linde Material Handling bei BASF Italia. In ihrem Werk in der Region Bologna werden Additive für Kunststoffe hergestellt, deren Handling besondere Anforderungen an die Sicherheit stellt. So gilt hier die „Seveso-III-Richtlinie“, die europaweit die Beherrschung der Gefahren bei möglichen Unfällen mit gefährlichen Stoffen regelt. Hier kam auch Linde Material Handling ins Spiel: Der Intralogistik-Experte installierte in einem wichtigen Knotenpunkt ein FTS-System, das selbständig ohne Interaktion mit dem Mitarbeiter arbeitet und dabei das strenge Sicherheitsprotokoll einhält. Hierzu kontrollieren mehrere Laser, die direkt an den automatisierten Staplern installiert sind, die Umgebung und mögliche Hindernisse sowie die Tätigkeit der Gabeln und die Ladung. Darüber hinaus sind die FTS mit einem doppelten Not-Aus-Knopf und akustischen sowie optischen Warnvorrichtungen ausgestattet. So hat das FTS-System zu erhöhter Effizienz und Sicherheit geführt – zum Vorteil des gesamten Betriebs und der Mitarbeiter.

MX-X VNA-Stapler von STILL werden über das Dematic Automatisierungspaket zu einem Hybrid-FTS.

Reibungslose Intralogistik – auch in potentiell explosiver Atmosphäre

In der chemischen Industrie gibt es aber auch noch höhere Sicherheitsanforderungen: nämlich überall dort, wo explosionsfähige Gasgemische, Dämpfe, Nebel oder Staubwolken entstehen können. So zum Beispiel im Lager von Chemion im CHEMPARK Leverkusen. Der Logistikanbieter hat in seinem Gefahrgutlager eine Vielzahl brennbarer Stoffe, die besonderes Risikopotential bergen. Wenn hier zum Beispiel ein konventioneller Stapler beim Rangieren mit den Gabelzinken an ein Regal stoßen würde – wie es in „normalen“ Lagern tagtäglich etliche Male auf der Welt vorkommt – könnte dies einen Funkenschlag erzeugen und eine verheerende Explosion auslösen. Um die Fahrer und Mitarbeiter zu schützen, verlässt sich Chemion auf die MX-X Kommissionierstapler von STILL – und zwar in einer speziellen, „EX-geschützten“ Sonderausführung. Von den Motoren, Steuerungen, Sensoren, Schaltern, Displays, Gabelzinken und Bremsen bis hin zu Fußmatten und Sitzbezügen: Die explosionsgeschützten Sonderausführungen von STILL sind bis ins kleinste Detail durchdacht, damit sie in allen Belangen der ATEX-Richtlinie 2014/34/EU entsprechen. So werden alle Fahrzeugteile, die durch Funken oder Spannung Explosionen auslösen können, gekapselt oder ummantelt – so zum Beispiel die Gabelzinken, die mit einer Edelstahlbeschichtung gegen die Entstehung von Funken bei Stoß- und Reibberührungen geschützt werden. Auch die Oberflächentemperatur der Fahrzeugkomponenten muss je nach Zündtemperatur der jeweiligen Gase oder Stäube begrenzt werden. Und zu guter Letzt werden sogar Bauteile aus Kunststoff, die anfällig für elektrostatische Aufladung sind – wie zum Beispiel Fußmatten, Reifen, Tanks und Sitzbezüge – speziell geschützt.

Doch die Anforderungen an die Intralogistik gehen sogar noch weiter: „Neben den Transportvorgängen im Lager gibt es gerade in der chemischen und pharmazeutischen Industrie auch Produktionsprozesse, bei denen eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen kann, zum Beispiel beim Umfüllen oder der Verarbeitung von Gefahrstoffen“, berichtet Elke Karnarski, Product Manager Ex-Proof Trucks & Retrofit Solutions bei Linde Material Handling. Auch hier verfügt man über umfassende Expertise im Bereich EX-geschützter Flurförderzeuge für die ATEX Zonen 1/21 und stellt die passenden Fahrzeuge für besondere Produktionsanforderungen zur Verfügung – inklusive aller Anbauten. So hilft zum Beispiel der Fasskipper, um eine Flüssigkeit wie Isopropanol sicher und präzise abzufüllen. „Mit einer Fernbedienung kann der Bediener den Kippvorgang aus sicherer Distanz bei optimaler Sicht auf das Fass steuern, etwa von einer Brücke. Das Abmessen der Menge übernimmt eine integrierte Waage“, erklärt Karnarski. Die Beispiele zeigen: Wenn es um Sicherheit geht, durchdenken die EX-perten von Linde Material Handling und STILL jeden einzelnen Prozessschritt beim Kunden und jedes einzelne Detail am Fahrzeug – und zwar bis zur Hupe: Denn diese funktioniert bei den explosionsgeschützten Fahrzeugen pneumatisch und nicht elektrisch. Damit garantiert kein Funke überschlägt.