Aus Technik-Knowhow wird Investitionsplanung
Wenige Jahre später, morgens auf dem Weg ins Büro, kam es zu einem weiteren Schlüsselerlebnis: Er musste mit ansehen, wie „seine“ geliebten Milwaukee-CNC-Fräsmaschinen aus den USA verschrottet wurden. „In dem Moment war mir klar: In Zukunft bist du kein Elektriker mehr. Jetzt machst du was anderes. Jetzt musst du gucken, dass du gescheite Maschinen kaufst.“ Zu den Maschinen, so sein Plan, sollte auch gleich die Qualifikation mitgekauft werden. „Denn es nützt ja nichts, sich ein tolles Auto zu kaufen, wenn man keinen Führerschein hat.“ Der Entschluss, in Richtung Investitionsplanung zu gehen, war schnell gefasst. Aber um ihn zu vollziehen, musste Fäth sich wieder neues Wissen aneignen. So machte er berufsbegleitend abends und an den Wochenenden Zusatzausbildungen, unter anderem zum Elektroingenieur im Fachbereich Antriebstechnik. Während dieser Zeit expandierte die Linde AG, die Dachgesellschaft von Linde Aschaffenburg, und kaufte ab Mitte der 80er Jahre europaweit neue Werke für die Staplerfertigung hinzu. Als Teil des Teams, das die Übernahme neuer Werke begleitete, war Fäth für die technische Ausstattung der Standorte verantwortlich.
Ein schicksalhaftes Souvenir
Schon lange wollte Fäth seinen Bruder besuchen, der in Peking beruflich tätig war. Eine internationale Werkzeugmesse bot dafür im April 1993 die perfekte Gelegenheit. Auf der Messe entdeckte er chinesisch-sprachige Broschüren einiger deutscher Hersteller und nahm sie als Andenken mit. Zurück in Deutschland landeten die Faltblätter auf Fäths Schreibtisch und waren erst einmal vergessen – bis im Juni 1993 eine chinesische Delegation das Werk von Linde Aschaffenburg besichtigte. „Plötzlich machte einer der Besucher halt an meinem Schreibtisch, blätterte durch die Broschüren, grüßte kurz und war wieder verschwunden“, erinnert sich Fäth. Wenige Tage später wurde er zur Geschäftsführung der Linde AG gebeten. Dort erfuhr er völlig unerwartet, dass die chinesische Delegation sich für ein Joint Venture mit der Linde AG entschieden hatte und ein Werk in China aufbauen wollte. Eine weitere Überraschung: Direktor Xin, der Chef der Delegation, wünschte explizit, dieses Projekt mit Fäth umzusetzen. Wie sich später herausstellte, war es genau dieser Xin gewesen, der an seinem Schreibtisch die Broschüren durchgeblättert hatte. Im November reiste Fäth also in einem Viererteam nach China – und die Planung des Linde-Produktionswerks in Xiamen nahm konkrete Formen an.
Eine deutsch-chinesische Liebesbeziehung
Sechs Jahre hat Fäth das Projekt intensiv begleitet. „Es war eine völlig neue Welt. Keiner von uns sprach Chinesisch oder hatte Erfahrung mit Projekten in dieser Größenordnung in Asien“, blickt Fäth zurück. Die Sprachbarriere war nicht die einzige Herausforderung. Nur wenige der Prozesse, die er aus Europa gewohnt war, waren in Asien eins zu eins umsetzbar. Aber gemeinsam mit seinem „Ziehvater“ Zhu Lin und dem Team fand Fäth stets eine Lösung. Am 1. September 1996 rollte der erste Linde Stapler „made in China“ vom Band.
Damit wäre seine Arbeit in Xiamen eigentlich beendet gewesen. Doch auch hier stellte sich heraus: Ein perfekt ausgestattetes Werk ohne qualifizierte Mitarbeiter ist wie ein Auto ohne Führerschein. Also erweiterte Fäth das Werk um ein Ausbildungszentrum und führte die duale Ausbildung ein. Ein absolutes Novum in China, wo die Mitarbeiter entweder praktische oder theoretische Erfahrung, aber nie beides hatten. Das änderte sich mit dem neuen Ausbildungskonzept – und mit der passenden „Workforce“ entwickelte sich Linde (China) zum damals größten ausländischen Anbieter von Material Handling Solutions im Reich der Mitte.