Körpergefühl, Spannung, Konzentration
„Wirtshausromanik“ nennt es Hirsch, wenn sie vom Image spricht, das Kegeln insbesondere in Deutschland hat. Etwas, das in Kellern von Gaststätten stattfindet, oder ein Einmal-Ereignis für Kindergeburtstage ist. Mit dem Hochleistungssport, den sie betreibt, hat das in etwa so viel zu tun, wie ein Hinterhof-Kick mit der Fußballbundesliga. Die Klischees in der Außenwahrnehmung prallen ohnehin an Hirsch ab, sie scheint es eher amüsant zu finden, wie leicht ein Sport missverstanden wird. Viel lieber spricht sie über die Faszination, die sie bereits als Jugendliche beim Kegelsport gespürt hat: „Man will immer den perfekten Wurf“, sagt sie. Um den zu erreichen, brauche es Koordination, Körpergefühl, Spannung, Konzentration – zahlreiche Muskeln müssten perfekt zusammenspielen: „Da werden Muskelgruppen gefordert, die man sonst gar nicht beansprucht.“ Im Idealfall steht dann am Ende jene perfekte Choreographie aus Anlauf, Armpendel und fallenden Kegeln.
Hirsch kam über ihre Eltern zum Kegeln, auch ihre Mutter war in der Nationalmannschaft. Die Region rund um Aschaffenburg, wo Hirsch aufwuchs, ist eine traditionelle Hochburg des Kegelsports. Bereits in der Schulzeit spielte sie auf Vereinsniveau, dreimal die Woche, plus Kraft- und Ausdauertraining. „Wenn die Erfolge kommen, bleibt man aber gerne dran“, sagt sie: „Man merkt, dass es die Arbeit wert ist.“ Hirschs Arbeit war es wert: 1998 gewann sie bei der U18-WM sowohl im Einzel als auch mit der Mannschaft. Irgendwann stellte sie fest, dass sie gut darin war, andere Sportlerinnen zu coachen. Hirsch absolvierte die Trainerausbildung, wurde Nationaltrainerin – und blieb dabei, seit zehn Jahren. Zweimal führte sie in dieser Zeit ihr Team zum WM-Titel, 2017 und 2021.