Interviewer: Wir möchten gerne mit Vorurteilen aufräumen. Was ist ein gängiges Vorurteil über Gehörlose, dass dich richtig nervt?
Sarina: Das Wort „Taubstumm“ ist immer noch sehr gängig, und viele verwenden es, weil sie es nicht besser wissen. Einen tauben Menschen als „Taubstumm“ zu bezeichnen, ist beleidigend und verletzend. Mit Stummen verbindet man ja, dass jemand sprachlos ist. Theoretisch kann ich sprechen, meine Stimmorgane sind in Ordnung, aber wenn ich mich selbst nicht höre, kann ich meine Aussprache nicht kontrollieren. Das heißt, ich habe Stimme, ich kann auch lautieren, aber ich mag es nicht, und ich kann nicht garantieren, dass das verständlich ist. Zudem bin ich nicht „stumm“, sondern habe einfach eine andere Muttersprache, die Gebärdensprache. Ich kann also kommunizieren.
Interviewer: Was wünscht du dir, um ein inklusives Büroumfeld zu schaffen?
Sarina: Ich will ganz normal behandelt werden wie du und jeder andere auch. Also, wir arbeiten hier und sind Kollegen, wir sind Mitarbeiter, und es muss eine gute Vertrauensgrundlage geben. Es wäre toll, wenn man sich bemüht und nicht aus Angst vor mir davonläuft. Aber ich brauche keinen Schutzraum, ich brauche keine große Aufmerksamkeit, ich brauche keine Sonderbehandlung. Ich brauche nur jemanden, der sich bemüht und mich mitbedenkt.
Interviewer: Welche Tipps hast du für andere, wie man mit Gehörlosen im Büroumfeld umgehen und was man berücksichtigen sollte?
Ein paar Tipps, wenn du mit Gehörlosen zutun hast: Wenn zum Beispiel jemandem im Büro ein Geburtstagslied gesungen wird, solltest du erklären „Jetzt gibt's ein Geburtstagsständchen“. Oder auch beim Flurfunk. Der Klatsch und Tratsch, der in der Kaffeeküche besprochen wird, ist für eine gehörlose Person spannend mitzubekommen. Fernab von der beruflichen Kommunikation sind diese Dinge wichtig, damit sich die taube Person eingebunden und als Teil der Gruppe fühlt. Auch ich möchte wissen, wohin die nächste Urlaubsreise geht, wer bald heiratet oder gekündigt hat.
Interviewer: Wie machen das die Kolleginnen und Kollegen bei dir im Büro? Tippen sie es zum Beispiel in ihr Handy oder schreiben auf einen Zettel, um mit dir zu kommunizieren? Welchen Weg nutzt ihr hier am häufigsten?
Sarina: Puh, das kommt auf die Situation an. In der Abteilung haben wir verschiedene Aufgaben und manchmal habe ich Fragen zu der Arbeit der anderen. Dann schildere ich mein Problem per E-Mail oder über die Teams und wir kommunizieren darüber. Manchmal sitzen wir auch zusammen vor dem Computer oder Monitor. Dann schreiben wir auch mal auf Papier, um uns zu verständigen. Im Grunde nutzen wir unterschiedliche Kanäle.
Interviewer: Was wünscht zu dir von einem Arbeitgeber?
Sarina: Arbeitgeber sollten möglichst die Barrieren abbauen und die taube Person mitdenken. Zum Beispiel sollten alle Videos untertitelt sein und bei offiziellen Veranstaltungen Dolmetscher anwesend sein. Beispielsweise bei Betriebsversammlungen bei STILL kümmert sich der Betriebsrat um Dolmetscher, damit auch die tauben Kolleginnen und Kollegen an der Präsenzveranstaltung teilnehmen können. Wenn ein Unternehmen sich dazu entscheidet, taube Personen einzustellen, müssen gleich Chancen gewährt werden und die Rahmenbedingungen stimmen.